Haushaltsrede unseres Fraktionssprechers Daniel Liebetruth: "Zeitenwende für die Germeringer Finanzen"

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

den Begriff „Zeitenwende“ hat Bundeskanzler Scholz vor etwas mehr als einem Jahr in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag verwendet. Er hat damit treffend beschrieben, dass die Welt nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine nicht mehr die gleiche ist wie vorher. Auf nüchterne und sachliche Art beschreibt dieser Begriff, was viele Menschen empfinden, und seine Popularität hat sogar dazu geführt, dass die Gesellschaft für Deutsche Sprache ihn zum Wort des Jahres 2022 gekürt hat.

Auch der Haushalt der großen Kreisstadt Germering, den wir heute hier beraten, kann sich der Zeitenwende, die durch den russischen Überfall auf die Ukraine ausgelöst wurde, nicht entziehen. Er wird sogar maßgeblich von ihr beeinflusst. Die Inflation trifft die Stadt Germering, wie sie auch alle Privathaushalte trifft. Die Inflation ist getrieben von den immensen Preissteigerungen bei den fossilen Energieträgern, von denen wir nach wie vor abhängig sind. Uns als Kommune setzen zusätzlich die enormen Baukostensteigerungen durch die Störung der Lieferketten zu, die zum einen auf die immer noch andauernden Nachwirkungen der Corona-Pandemie und auch auf die Folgen des Ukraine-Kriegs zurückzuführen sind. Das sehen wir auch am Beispiel des Projekts Wittelsbacher Schule und Theresenschule. Seriöse Prognosen für die weitere Entwicklung sind nicht möglich und die Planung von notwendigen Investitionen wird vor diesem Hintergrund zu einem risikobehafteten Abenteuer.

Inflation ist ja bekanntlich, wenn weniger mal mehr war, und genau das trifft auch auf den Haushalt der Großen Kreisstadt Germering zu. Die Einnahmen im Haushalt aus der laufenden Verwaltungstätigkeit steigen zwar im Jahr 2023 und im mittleren Finanzplanungszeitraum bis 2026. Allerdings stehen dem auch ungleich höhere Ausgaben gegenüber. Diese sind bedingt durch Preissteigerungen bei Gas und Strom für die Stadt selbst und für ihre Eigenbetriebe Stadthalle und Stadtwerke, steigende Personalkosten und eine deutliche Erhöhung der Kreisumlage, die wir an den Landkreis abführen. Bei den Ausgaben für den ÖPNV spüren wir noch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Obwohl wir also mehr Einnahmen erzielen, bleibt uns am Ende weniger freier finanzieller Handlungsspielraum übrig.

Zwar gelingt es uns weiterhin, im Verwaltungshaushalt einen Überschuss zu erzielen, allerdings steht im Ergebnishaushalt im Jahr 2023 und in allen Jahren der mittelfristigen Finanzplanung bis 2026 erstmalig ein Minus. Dieses Minus ist zunächst nicht zahlungswirksam, weil es durch die Berücksichtigung der Abschreibungen zustande kommt, aber es ist trotzdem ein deutliches Wahnsignal für die finanzielle Lage der Stadt. Denn dieses Minus bedeutet, dass wir nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft in dem Maße neu zu investieren, wie Bestehendes an Wert verliert. Wir müssen somit den Gürtel enger schnallen und leben noch von dem Speck, den wir uns in der Vergangenheit angefressen haben. Zur Wahrheit gehört aber auch: Verglichen mit anderen Kommunen im Großraum München hatten wir nie besonders Speck auf den Rippen.

Im Haushalt 2023 und in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2026 sind Investitionen vorgesehen, die dazu führen, dass unser Schuldenstand im mittleren Finanzplanungszeitraum von rund 25 Millionen auf 39 Millionen Euro klettert. Diese Entwicklung ist besorgniserregend, zumal wir uns als Kommune nicht mehr mit günstigen Krediten wie in der Vergangenheit versorgen können.

Die größte Investition ist die Kirchenschule und das Haus für Kinder, die mit einem Gesamtvolumen von 125 Millionen Euro zu Buche schlagen und deren finanzielle Abwicklung uns über den aktuellen Finanzplanungszeitraum hinaus bis ins Jahr 2032 begleiten wird. Wir gehen bei dieser Investition über das hinaus, was gemeinhin als Pflichtaufgabe einer Kommune bezeichnet wird. Wir schaffen dort einen Lernort, der sichtbar auch in Sachen Nachhaltigkeit Maßstäbe setzt. Bei der Umsetzung der Maßnahme wird es darauf ankommen, dass wir Alles daransetzen, dass der Kostenrahmen bei diesem Projekt eingehalten wird. Heftige Kostenmehrungen, wie wir sie bei der Wittelsbacher Schule und Theresenschule erlebt haben, wären angesichts der Größe des Projekts wohl nicht zu schultern. Denn durch die praktizierte Fördersystematik durch die Staatsregierung liegt das Risiko von Kostensteigerungen vor allem bei der Kommune und zwar unabhängig davon, ob die Stadt dafür verantwortlich ist oder nicht.

Andere Investitionen müssen wir aufgrund der finanziellen Zwänge in die ferne Zukunft schieben. Dazu zählen das Lehrschwimmbecken und die Realisierung der Kaserne. Beim Lehrschwimmbecken ist diese Verschiebung besonders bitter, denn das alte Lehrschwimmbecken wurde unter der Prämisse abgerissen, dass am Standort des Hallenbads Ersatz geschaffen wird. Durch die Entwicklungen sind wir jetzt nicht mehr dazu in der Lage. Für uns hat der Ersatz des Lehrschwimmbeckens höchste Priorität, denn ein neues Lehrschwimmbecken wird dringend zur Deckung des Bedarfs an Schwimmkursen benötigt. Lange Wartezeiten für einen Schwimmkurs oder gar Kinder, die keinen Schwimmkurs mehr machen können – das sind Einschnitte, die es zu verhindern gilt. Darüber hinaus stünden auch mehr und flexiblere Zeiten für den Vereinssport, das Schulschwimmen und andere Gruppen, die unsere Bäder nutzen, sowie für den allgemeinen Badebetrieb zur Verfügung.

Wir stecken mitten in einer Krise und das Beste, was man aus Krisen ziehen kann, sind Lehren, was in der Vergangenheit falsch lief und wie es in Zukunft besser geht. Learning by burning sozusagen. Auch in der Vergangenheit gab es schon Krisen, die uns in Germering hart getroffen und dazu geführt haben, dass die Stadt Eigentum veräußern musste, was über die Krisenzeit hinaus negative Folgen für unsere Stadt und unsere Bevölkerung hatte. Der Grund dafür war und ist, dass für die Genehmigungsfähigkeit von kommunalen Haushalten strenge Regeln gelten. Diese Regeln werden in Zeiten der Krise zu einem Problem, da sie die Kommunen zu Schritten zwingen, die mittel- und langfristig nicht sinnvoll sind. Ein Verkauf von kommunalem Eigentum ist nicht sinnvoll, weil er zu höheren Kosten in der Zukunft führt und die Handlungsmöglichkeiten der Stadt einschränkt. Die Stadt Germering besitzt schon heute nur wenige Grundstücke. Wir planen im Haushalt ab dem Jahr 2024 Erlöse aus Grundstücksverkäufen ein. Diese Grundstückverkäufe haben wir auch schon in der Vergangenheit einplanen müssen, um der Kommunalaufsicht einen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegen zu können. Angesichts der Krise und der dargestellten Risiken befürchten wir, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft wirklich zu einem Verkauf gezwungen sein könnten. Wir wollen – wie vermutlich alle hier im Gremium – unsere Grundstücke nicht verkaufen.

Die Kommunalfinanzen sind Aufgabe der Länder und hier ist der Freistaat Bayern in der Pflicht. Wenn Kommunen zum Verkauf ihres Tafelsilbers gezwungen sind und nicht mehr in der Lage sind, notwendige Investitionen zu tätigen, dann ist das Sparen für Dumme. Dies erkennt man am Beispiel Energie- und Verkehrswende besonders deutlich: Hätte der Freistaat gegebenenfalls mit Unterstützung des Bundes in den letzten zehn Jahren mehr Geld zur Verfügung gestellt, damit Kommunen in die Energie- und Verkehrswende investieren, dann wären wir 2022 nicht so abhängig von teuren Öl- und Gasimporten aus dem Ausland gewesen und hätten uns in Deutschland sowohl die Abhängigkeit von Putin als auch den schmerzlichen Preisschock teilweise erspart. Die heutige Krise ist maßgeblich dadurch verursacht, dass man in der Vergangenheit an den falschen Stellen gespart hat und sich nicht zukunftsfähig aufgestellt hat.

Die Energie- und die Verkehrswende erfordert jetzt erst recht rasches Handeln und Investitionen auch hier bei uns in Germering – und das ist nicht zum Nulltarif zu haben. Über 60 Prozent der staatlichen Investitionen werden von den Kommunen gestemmt. Wer ein modernes Land will, braucht also finanzkräftige Kommunen. Mit der derzeitigen Finanzausstattung können wir diese Herausforderungen sicher nicht in dem Maße stemmen, wie es erforderlich ist.

Wie eingangs erwähnt setzt uns in der Finanzplanung auch die prognostizierte Entwicklung der Personalkosten zu. Im Stellenplan üben wir Zurückhaltung und beschränken uns nur auf absolut notwendige Stellenmehrungen. Zu den notwendigen Stellenmehrungen zählt zum Beispiel der Bereich Tiefengeothermie, den wir in Germering vorantreiben möchten. Im sozialen Bereich gibt es aber keine Stellenmehrung, obwohl die Herausforderungen natürlich auch in diesem Bereich wachsen.

Bei den Lohnkosten kalkulieren wir mit 3,5 Prozent Steigerung pro Jahr. Das ist ein gewisses Risiko, auf das hingewiesen werden muss, denn derzeit laufen die Verhandlungen und der Tarifabschluss wird wohl deutlich darüber liegen. Die Forderungen der Gewerkschaften sind angesichts der Teuerungsrate nachvollziehbar und es wäre sicher falsch, wenn die öffentliche Hand auf dem Rücken ihrer Beschäftigten sparen würde. Wir wissen in Germering gut, was von ihnen geleistet wird und die Kommunen tun gut daran, wenn sie ein attraktiver Arbeitgeber bleiben.

Wir leben in einer Zeitenwende und wir hoffen, dass sich die Zeiten auch wieder ins Bessere wenden. Beim Thema Bürgerbeteiligung ist uns das im vergangenen Jahr gelungen. Das Jahr 2022 war das erste Jahr der Amtszeit des aktuellen Stadtrats, in dem kein Bürgerbegehren von der Stadtratsmehrheit aus CSU und Freien Wählern für rechtlich unzulässig erklärt wurde. Es gab allerdings auch kein Bürgerbegehren im Jahr 2022. Stattdessen gab es den erfolgreichen Bürgerentscheid zum Kreuzlinger Feld, bei dem es eine hohe Beteiligung der Germeringer Bevölkerung gab. Dieser Entscheid hatte zur Folge, dass der Planungsprozess für das Kreuzlinger Feld erfolgreich mit vielen Beteiligungsformaten neu gestartet wurde. Indem wir die Bürgerinnen und Bürger bei Planungen frühzeitig und effektiv miteinbeziehen und Prozesse transparent und interaktiv gestalten, sorgen wir dafür, dass wir in Germering für das Wohl unserer Stadt an einem Strang ziehen. Wenn uns das in Zukunft weiter gelingt, dann ist dies auch eine Zeitenwende in der Germeringer Kommunalpolitik.

Zum Abschluss möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei Herrn Mronz und seinem Team aus der Stadtkämmerei bedanken. Es gibt wahrlich angenehmere Zeiten für einen Stadtkämmerer einen Haushalt aufzustellen und umso mehr freuen wir uns, dass Sie im vergangenen Jahr bereit waren, sich für eine weitere Amtszeit als berufsmäßiger Stadtrat der Großen Kreisstadt Germering zur Verfügung zu stellen. Wir wissen die Germeringer Finanzen bei Ihnen in besten Händen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie ausgeführt: Der Haushalt beinhaltet Risiken und auch schmerzhafte Entscheidungen. Viele Risiken wie die gesamtwirtschaftliche Entwicklung oder die weiteren Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine entziehen sich unserem Einfluss. Wir müssen hier vor Ort in Germering mit den Konsequenzen dieser Entwicklungen umgehen und uns so gut es geht vor Risiken wappnen. Der vorliegende Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2026 tut dies und wir werden ihm deshalb zustimmen.

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